91 Weltschöpfungslied Im Anfang war weder das Nichtsein noch das Sein, es war kein Luftstrom und kein Himmel über ihm. Wer hütete die Welt und wer barg sie in sich? Wo waren der unendliche Abgrund und das tiefe Meer? Damals war weder Tod noch die Unsterblichkeit, es war weder Nach noch Tag. Ohne Wind und im Ursprung hauchte das Eine, und außer ihm war kein anderes. Der ganze Kosmos war durch und durch dunkel, ein Ozean im Dunkel, verloren im Dunkel, da wurde, was zuvor in einem Kern versteckt war, das Eine geboren, kraft seiner Glut und Pein. Aus dem Einen ging erstes Entstehendes Hervor, als Samenkeim des Erkennens, die Liebe. Die Weisen fanden im Nichtsein die Wurzeln des Daseins, als sie in den Vermögen des Herzens forschten. Als lang hindurch eine Messschnur gelegt wurde, was war da unten und was war oben? Es regten sich Keimträger und Kräfte, unten war Selbstsetzung, Anspannung war oben. Nun, wem ist es gelungen, es auszuforschen, wer hat erfahren, woher die Schöpfung stammt? Die Götter sind in ihr entstanden! Wer kann es also sagen, woher sie gekommen sind? Er, der die Schöpfung hervorgebracht hat, der sie anschaut aus dem höchsten Licht des Himmels, der sie gemacht hat oder auch nicht, der weiß es – oder weiß er es auch nicht? Aus: Gebete des Hinduismus. Ausgewählt von Adel Theodor Khoury.
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